21.1.1972 FS-INFO Der Fall Frank Deppe

Fachschaftsinfo

Die Czempiel-Aera

Bericht

Im Sommersemester 1976 nahm Ernst-Otto Czempiel, H4-Professor für wissenschaftliche Politik II in Marburg, einen Ruf nach Frankfurt an.

Diese Professur ist seit dem 1.10.1970 bis heute trotz sprunghaft ansteigender Studentenzahlen vakant. In dieser Fachrichtung sind von den übrigen 7 Professuren zur Zeit 5 unbesetzt.

Czempiel ging, nachdem seine Beziehungen zu den Studierenden, zum politologischen Mittelbau und schließlich auch zu seinem Kollegen Abendroth sich unerträglich gestaltet hatten. Warum? Czempiel versuchte immer wieder, die Demokratisierung der Institute, die im HHG I (1966-70) enthalten waren, zu umgehen: Hartnäckig verhinderte er die Verabschiedung der Institutssatzung, in der u.a. halbparitätische Vertretung der Studenten vorgesehen war.

Nachweislich zweimal versuchte er Personaleinstellungen vorzunehmen ohne die nach der Universitätssatzung vorgeschriebene Zustimmung des Institutsrats einzuholen. Eklatant war der zweite Fall: dem Institut für wissenschaftliche Politik war eine A-14 Stelle (Oberstudienrat im Hochschuldienst) vom Ministerium zugewiesen worden.

Czempiel wollte auf dieser Stelle den persönlichen Referenten des ehemaligen Kultusministers Schütte, den Friedensforscher Hans W. Nicklas installieren. Als sich abzeichnete, daß der Institutsrat nicht zustimmen werde, sorgte er dafür, daß die A-14 Stelle wieder vom Marburger Institut abgezogen und dem Frankfurter Institut für Friedens- und Konfliktforschung zugewiesen wurde. Dort erhielt sie dann besagter Herr Nicklas.

Czempiel vermochte keinerlei wissenschaftliche und pädagogische Ansprüche zu befriedigen. Seine Lehrveranstaltungen waren ebenso gähnend wie leer.

Seine enge Spezialisierung auf ein Teilgebiet der internationalen Beziehungen, nämlich Friedens- und Konfliktforschung und die Tatsache, daß er nur Assistenten mit gleicher oder ähnlicher Orientierung in seiner Abteilung zuließ, führten dazu, daß der damaligen Abteilung I des politologischen Instituts (Abendroth) praktisch die gesamte Lehre – einschließlich fast aller Prüfungen – zufiel.

Czempiel weigerte sich z.B. Kandidaten über Themen zu prüfen, die allzuweit von seinen eigenen Spezialinteressen ablagen, etwa über die Notstandsgesetze. Die Abteilung II (Czempiel) wurde so zur reinen „Forschungs“abteilung (obwohl andererseits aus dieser Abteilung nie Forschungen publiziert wurden).

Umgekehrt zu den Belastungen der beiden Lehrstühle verhielt es sich mit der finanziellen Ausstattung beider Abteilungen: Lange Zeit verfügte Czempiel über 22.000 DM Jahresetat, Abendroth hingegen nur über 5.000 DM. Zudem ließ sich Czempiel – treu seiner Devise: Mitbestimmung niemals ! – bei der Verwendung seiner Mittel nicht hereinreden.

Die Besetzung der zweiten H4-Professur für wiss. Politik mit einem schwach qualifizierten Friedensforscher (Czempiel) führte dazu, daß in Marburg die Erforschung und Lehre der Probleme der Internationalen Beziehungen auf Jahre hinaus fast völlig zum Erliegen kam. Bis zu Czempiels Amtsantritt in Marburg (1966) waren an dem Marburger soziologischen und politologischen Institut bereits relevante Arbeiten zu einem Teilbereich der Internationalen Beziehungen, nämlich der Erforschung von Abhängigkeitsverhältnissen der „dritten Welt“ von den imperialistischen Industrienationen, von jüngeren Wissenschaftlern (Steinhaus, F. Deppe, Tjaden, Boris, Harrer) erstellt worden. Als Czempiel kam, hörten im Bereich der wiss. Pol. die Marburger Imperialismusarbeiten auf oder wurden nur noch privat betrieben.

Nachdem Czempiels Wirtschaft in Marburg zu einem Desaster geführt und Czempiel sich schließlich völlig isoliert hatte, rationalisierte er seinen Weggang nach Frankfurt mit der mehrmals öffentlich (durch Leserbriefe in der OP und FAZ) verbreiteten Unterstellung, das Marburger politologische Institut steuere einen Kurs zur „Totalisierung“, werde von Dogmatikern beherrscht und biete für liberale Wissenschaftler keine Arbeitsmöglichkeiten mehr. Seine Kapitulation vor den demokratischen Mitbestimmungsforderungen der Studenten nutzte er zum Auftakt einer Hetze gegen die Marburger Politikwissenschaft, welche seit nunmehr bald zwei Jahren anhält.

DIE KUMI-BREMSE: WAS LANGE WÄHRT, WIRD EIN BERUFSVERBOT

Im Juli 1970 wurde eine Berufungskommission eingesetzt. Auf die Ausschreibung der H4-Stelle gingen 21 Bewerbungen ein. Die Kommission erstellte eine Liste in folgender Reihenfolge: Deppe – Holzer – Gottschalch. Die Nominierung Deppes ergab sich daraus, daß er der bei weitem qualifizierteste aller Bewerber war und als einziger die Ausschreibungsbedingungen in voller Breite erfüllte. Für ihn waren positive Gutachten von folgenden Hochschullehrern eingegangen: Hans Paul Bahrdt (Göttingen), Arno Klönne (Göttingen), Kurt Lenk (Erlangen-Nürnberg), Pierre Naville (Paris), Thomas von der Vring (Bremen).

Diese Berufungsliste wurde zwar von der überwältigenden Mehrheit der Philosophischen Fakultät am 10.2.71 gebilligt, dennoch galt sie als formal abgelehnt, weil sie nicht die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Hochschullehrer erhielt, obwohl in der Diskussion kein einziger Redner die Qualifikation angezweifelt hatte: Von den 18 anwesenden Hochschullehrern stimmten 9 für die Liste, 5 dagegen, 3 enthielten sich, und eine Stimme war ungültig.

Die reaktionäre Bestimmung des § 4o, Abs. 4 HUG wirkte hier als Notbremse. Kurz nach der Fakultätssitzung vom 10.2.71 begann die bundesweite Kampagne gegen Hans Heinz Holz, der inzwischen die Vertretung der vakanten Marburger H4-Professur übernommen hatte, in die auch das politische Institut und Deppe hineingezogen wurden. Hauptverleumder waren hier Iring Fetscher und Czempiel. Aus dem Marburger Historikerturm meldete sich Dr. Thomas Klein und behauptete, Deppe sei „militanter DKP-Anhänger“ und gehöre zu denen, die das Grundgesetz gewaltsam beseitigen wollten. Als Klein mit einem Prozeß gedroht wurde, nahm er die Beschuldigung sofort zurück. In seiner Herzensangst schrieb er auch einen Brief an Horst Holzer und bestätigte ihm, daß er, Holzer, kein DKP-Anhänger sei.

Friedeburg, verschreckt über den Marburger Lärm, lud eine Delegation, bestehend aus der Universitätsspitze und Vertretern der Berufungskommission nach Wiesbaden ein und beschwor sie, vor der Anti-Marburg-Kampagne zurückzuweichen und Deppe überhaupt fallen zu lassen. Er mußte zugeben, daß das Bewerberfeld sehr mäßig war und Deppe voll für die H4-Stelle qualifiziert sei, weigerte sich aber dennoch, eine Berufung Deppes überhaupt für möglich zu halten. Das deutlichste Argument, das er hervorbrachte, war: Deppe solle doch erst einmal ein paar Jahre außerhalb Marburgs lehren, das habe noch niemandem geschadet. Später sickerte durch, daß das Ministerium·- Friede­burgs graue Eminenz Abels an der Spitze – damals Deppe abzuschmettern suchte, um den reaktionären Abels-Intimus Werner Link zu protegieren.

Als die Einschüchterungstaktik des Ministeriums auf Widerstand stieß, winkte man von Feme mit einem Tauschgeschäft: Entweder Holz oder Deppe könne berufen werden, nicht aber beide. Nachdem die Delegation klargemacht hatte, daß bei der gegebenen Marktlage im Fach Politologie und der Qualifikation Deppes seine erneute Nominierung wahrscheinlich sei, griff das Ministerium zu einer Repressalie: Dr. Gerhard Stuby, der am 10.2.71 von der Philosophischen Fakultät auf einer H2-Liste für Politik nominiert worden war, wurde nicht berufen. Die Liste blieb bis zum Oktober 1971 in Wiesbaden liegen – und dies, obwohl HUG 4o, Abs. 5 eine Entscheidung, über Berufungslisten innerhalb von einem Monat nahelegt. Abels ging mit der Behauptung hausieren, das SPD-Mitglied Stuby sei ein „Marxist von der widerlichsten Sorte“, und Stuby, Verfasser von 3 Büchern und mehreren Aufsätzen sei für eine H2-Stelle nicht qualifiziert. Inzwischen ist dieser „widerliche Marxist“ Stuby auf eine H3-Professur in Bremen berufen worden, seine Marburger Stelle ist. noch immer vacant, obwohl die Anzahl der Studenten in dieser Fachrichtung sprunghaft ansteigt.

Im Mai 71 wurde die H4-Professur für wissenschaftliche – Politik II erneut ausgeschrieben. Es meldeten sich ganze 8 Bewerber. Im Sommersemester 71 habilitierte sich Deppe für das Fach „Wissenschaftliche Politik und Politische Soziologie“. In Göttingen wurde er auf Platz 2 einer H4-Berufungsliste für Politik nominiert.

Am 16. Juli 1971 verabschiedete der Fachbereich Gesellschaftswissenschaften einstimmig eine neue Berufungsliste mit folgenden Placierungen: Deppe – Stuby – Wyniger (Bochum). Für Deppe gingen anläßlich dieser Nominierung zwei weitere Gutachten ein, von den Hochschullehrern Marcel Liebman (Brüssel) und Ralph Miliband (London).

Auch der Senat der Universität befürwortete mit großer Mehrheit die Deppe­Liste. Allein im Ministerium gab es zunächst keine Resonanz. Nach 2 Monaten erschien der Regierungsrat Abels in Marburg und erklärte, Deppe sei zwar zweifellos der qualifizierteste Bewerber, aber er könne aus politischen Gründen nicht berufen werden, da er Marxist sei. Im November 71  forderte der Konvent der Philipps­ Universität eine Beschleunigung von überfälligen Berufungsverfahren durch Wiesbaden, darunter auch die Deppe-Liste. Die Minister daraufhin zwar den Musikwissenschaftler Brinkmann, nicht aber Deppe.

Inzwischen schalteten sich mehrere prominente Gewerkschaftler mit Gutachten für Deppe, der zahlreiche Arbeiten über Gewerkschaftsfragen veröffentlicht hatte, ein. Der Vorsitzende der IG Druck und Papier, Leonhard Mahlein, der stellvertretende Vorsitzende der IG Chemie, Werner Vitt, der Landesbezirk Hessen des DGB und sein Vorsitzender Philipp Pless sowie der ehemalige Chefredakteur der „Gewerkschaftlichen Monatshefte“, Prof. Dr. Walter Fabian; befürworteten Deppes Berufung und bedauerten die Verschleppung des Verfahrens.

Inzwischen liegt die Liste bereits über 6 Monate (Januar 72) in Wiesbaden, fünf Monate über die gesetzlich vorgesehen Frist.

Bemerkungen zu F. Deppes wissenschaftlichen Arbeiten

Die wissenschaftliche Qualifikation Frank Deppes wird von niemandem bestritten.  Sowohl die Klarheit seiner Analysen als auch die ungewöhnliche Breite des Spektrums seiner Arbeiten machen seinen wissenschaftlichen Rang aus.

Frank Deppe hat gearbeitet über Probleme der „Dritten Welt“ und des Imperialismus,  über Auguste Blanqui und damit über die Geschichte der französischen revolutionären Bewegung des 19. Jahrhunderts und deren soziale und theoretische Voraussetzungen; ferner über die deutsche Gewerkschaftsgeschichte, insbesondere die der BRD, über die innere Differenzierung  der Arbeiterklasse im Zusammenhang mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt sowie über Probleme des Arbeiterbewußtseins.

In seinem Blanqui-Buch zeigt Deppe, was materialistische Geschichtsanalyse im Gegensatz zu idealistisch-personalistischer wie positivistisch-deskriptiver zu leisten vermag. Deppe analysiert die politische Theorie und Praxis Auguste Blanquis in ihren tbeoriegeschichtlichen und sozialhistorischen-Zusammenhängen, gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen und den Vermittlungen zu den wichtigsten Etappen der politischen Geschichte Frankreichs im 19. Jahrhundert. Er setzt politisches Handeln und politische Theorie Blanquis in Beziehung zu diesen objektiven Zusammenhängen und vermag die Widersprüchlichkeit des Blanquismus zurückzuführen auf seine objektiven Entstehungsbedingungen. Es handelt sich hierbei zugleich um eine Arbeit, die von ihrem umfassenden revolutionstheoretischen Ansatz her die Kritik moderner utopisch-radikaler und putschistischer Tendenzen ermöglicht.

In der Einleitung zu den ausgewählten Texten über „Die neue Arbeiterklasse“ wird die sich wandelnde gesellschaftliche Funktion der wissenschaftlich-technischen Intelligenz analysiert und der dialektisch­materialistischen Methode entsprechend aus der veränderten materiellen Basis unter den Bedingungen des wissenschaftlich­technischen Fortschritts am spezifischen Beispiel des französischen Kapitalismus abgeleitet.

Das mit den strukturellen Veränderungen der Produktivkräfte sich weiterentwickelnde System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung – die fortschreitende Verwissenschaftlichung der materiellen Produktion und Vergesellschaftung der Wissenschaft – stellen den zentralen Ansatzpunkt dieser Analyse dar. Im Gegensatz zu konvergenztheoretischen und ähnlichen Ansätzen bezieht Deppe in seine Analyse die spezifischen sozialen Konsequenzen ein, die diese Entwicklung unter den spezifischen Bedingungen kapitalistischer Produktionsverhältnisse beinhalten: sozialer Aufstieg großer Teile der Intelligenz, verstärkte Differenzierungsprozesse und Friktionen innerhalb der Arbeiterklasse.

Daran anknüpfend verweist Deppe auf die veränderten Kampfbedingungen und neuen Möglichkeiten der Arbeiterorganisationen.

Den gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen der Bewußtseinsbildung der Arbeiterschaft, dem Zusammenhang zwischen Arbeiterbewußtsein und gesellschaftlicher Produktion und -Reproduktion unter kapitalistischen Bedingungen ebenso wie der Politik der Arbeiterbewegung als weiterem wesentlichem Faktor proletarischer Bewußtseinsbildung gelten Deppes „Studien zur politischen Soziologie des Arbeiterbewußtseins“.

Die von Deppe in scharfer Abgrenzung von der modernen bürgerlichen Arbeits- und Industriesoziologie abgeleiteten Begriffe konkretisiert er in der Analyse der spezifischen Situation des deutschen Kapitalismus und der Bewußtseinslage der deutschen Arbeiterklasse nach dem Zusammenbruch des Faschismus. Arbeiterbewußtsein bestimmt er somit nicht abstrakt, sondern danach, wie es sich in einer konkreten historischen Situation im politischen Handeln, den Organisationsformen, der Organisiertheit usw. der Arbeiterklasse niederschlägt; er weist also zugleich den unlösbaren Zusammenhang und die Abhängigkeit des Arbeiterbewußtseins zur gesellschaftlichen Praxis der Arbeiterklasse auf.

Marxistische Gesellschaftswissenschaft ist demzufolge für Deppe keine leere Phrase, sondern eine wissenschaftliche Methode, mit der allein gesellschaftliche Verhältnisse analysierbar werden – eine Methode freilich, die nach bester marxistischer Tradition nicht einfach dogmatisch gesetzt werden kann, sondern sich am konkreten Stoff zu bewahren hat und aus diesem selbst ihre Begriffe abzuleiten und ständig zu überprüfen hat.

Auf diese Art und Weise gelingt es Deppe auch, empirisches Material im breitesten Maße zu verarbeiten, ohne deshalb der Begrifflosigkeit bürgerlicher Politikwissenschaftler einerseits, unabgeleitetem Dogmatismus andererseits zu verfallen.

Frank Deppes Arbeiten zur Gewerkschaftsproblematik können als richtungsweisend für die BRD angesehen werden. Das wurde im Verlauf des Berufungsverfahrens von in- und ausländischen Gutachtern einhellig bestätigt. Deppes Qualifikation wird auch von jenen mit keinem Wort bestritten, die gegenwärtig seine Berufung verschleppen.

Gerade die vakante H4-Professur in der Fachrichtung Wissenschaftliche Politik verlangt Qualifikationen, die sich in der Person Deppes vereinigen, neben der bereits umrissenen Breite seiner Arbeiten bezeugt seine Bereitschaf und Eignung zu wissenschaftlicher Kooperation mit Studenten seine didaktischen und pädagogischen Fähigkeiten. Diese Form der Kooperation stellt als demokratische Form von  Forschung und Lehre ein Stück praktizierter Studienreform dar.

Für alle demokratischen Universitätsangehörigen ist es von elementarstem Interesse, Lehrende an der Universität zu haben, die eindeutig eintreten gegen die reaktionäre staatsmonopolistische Formierung der Wissenschaft, also gegenwärtig vor allem gegen das HRG; die kämpfen gegen reaktionäre und friedensfeindliche Lehrinhalte, gegen die organisierte Reaktion an der Hochschule, den Bund „Freiheit“ der Wissenschaft .

Für alle demokratischen Universitätsangehörigen ist es von elementarstem Interesse, Lehrende an der Universität zu haben, die den Kampf aktiv unterstützen für demokratische Mitbestimmung und Kontrolle an der Hochschule, für den Erhalt und Ausbau gewerkschaftlicher und politischer Betätigung aller Universitätsangehörigen, für die Erweiterung der demokratischen Rechte der Studenten und der Arbeiter und Ange­stellten der Universität.

Für den Fachbereich Gesellschaftswissen­schaften kommt es darauf an, mit Frank Deppe einen H4-Professor zu haben, der die fortschrittliche Gesamtkonzeption des Fachbereichs und ein progressives Modell des gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudiums aktiv verficht. Nicht zuletzt deshalb haben die Studenten schon in mehreren Vollversammlungen (VV Pol/Soz und VV Gesellschaftswiss.) für seine Berufung votiert.

DESHALB KÄMPFEN WIR FUR DIE BERUFUNG VON FRANK DEPPE AUF H4!

WIESBADENER EIERTÄNZE

Selbst Friedeburg kommt nicht umhin, zuzugeben, daß von allen Bewerbern für die H4-Professur Deppe der mit Abstand qualifizierteste Bewerber ist.

Es geht ihm einzig und allein darum, zu verhindern, daß auf eine H4-Professur ein Marxist berufen wird!

In diesem Zusammenhang wissen wir auch, was wir von seinem „Kompromißangebot“ zu halten haben, auf eine H3-Professur würde er Frank Deppe berufen. Darauf werden wir uns auf keinen Fall einlassen, hieße das doch:

  • eine berufliche Diskriminierung von Marxisten zu sanktionieren
  • dem Kumi und somit der gesamten Öffentlichkeit zu bescheinigen, daß Marxisten von vorneherein Wissenschaftler zweiter Klasse sind, daß Marxisten keinerlei Anspruch auf Anerkennung ihrer Qualifikation haben
  • der Fall Meyer-Ingwersen, dessen Berufung in Kassel schließlich durch eine solche Taktik verhindert wurde, (H4 – H3 – H2 – aus!) zeigt eindeutig, was hinter einem solchen „’Kompromiß-Angebot“ steckt! Die Berufung von Frank Deppe soll verhindert werden!!

Auch das Argument, schließlich habe man uns gerade erst den Marxisten Hans Heinz Holz auf eine H4-Professur in Philosophie berufen, damit sei für den gesamten Fachbereich der „Marxisten-Bedarf“ auf Zeiten hinaus abgedeckt – was mit dem Gerede vom „Wissenschaftspluralismus“ verbunden wird-, geht völlig an unseren Forderungen vorbei und erweist sich als rein taktischer Schachzug.

Es ist völlig unerfindlich, weshalb die Tatsache, daß in der Fachrichtung Philosophie ein Marxist sitzt, automatisch eine Marxistensperre für alle anderen Fachrichtungen bedeuten soll. Analog dazu müßte es heißen, daß die Berufung eines Positivisten – sagen wir mal in Pädagogik – auf Jahre hinaus die Berufungen von Positivisten in anderen Fachrichtungen unmöglich mache!

Weil wir nicht nur Philosophie, sondern in jedem Wissenschaftsbereich Marxisten brauchen, kann unsere Forderung „Marx an die Uni“ nicht mit einem Marxisten im Fach Philosophie abgetan werden. Zudem wurde uns Holz keineswegs von Friedeburg geschenkt, sondern nur durch unseren massiven Druck auf das Kultusministerium wurde Holz schließlich nach Marburg berufen!

Wir kämpfen für die Berufung von Frank Deppe nicht aus pluralistischen Symetriegründen, ein harmonisches Nebeneinander von bürgerlicher Wissenschaft als Apologetik der Monopolherrschaft und dem Marxismus kann es nicht geben.

Wir kämpfen für die Berufung von Frank Deppe, weil er im politischen und sozialen Interesse der großen Masse der Studenten liegt, in ihrem Studium zu erkennen, daß für sie (auch für die künftigen Lehrer, die den bei weitem größten Teil der Politik-Studenten ausmachen) der Verkauf ihrer Arbeitskraft die einzige Existenzgrundlage ist, daß dadurch gleiche Interessen sie mit allen abhängig Arbeitenden verbinden, und sie somit ein Recht darauf haben, daß an der Universität Wissenschaftler lehren, die sie in der Erkenntnis und Durchsetzung ihrer Interessen unterstützen.

POLITISCHE HINTERGRÜNDE DES FALLES F. DEPPE

Die Frage: will der Kultusminister eigentlich Deppe berufen, oder will er es nicht? zu beantworten, heißt sie als falsch gestellt zurückzuweisen. Denn zwar liegt die Entscheidungskompetenz beim Kultusminister (auch das Kabinett  muß zustimmen), doch mit dem guten Willen des einen oder anderen für oder gegen die Berufung von Frank-Deppe hat das nichts zu tun.

Am Fall Deppe zeigt sich exemplarisch, daß die Auseinandersetzung zwischen bürgerlicher und marxistischer Wissenschaft sich nicht allein auf der Ebene des ideologischen Kampfes vollzieht, sondern daß dieser Kampf zugleich ein politischer Kampf ist. Die politische Seite dieses Falles ist offensichtlich: Die Deppe­Berufung wird deshalb verschleppt, weil er Marxist ist. Hier geht es noch nicht um ein Berufsverbot für Marxisten wie im Fall Holzer oder im Fall Meyer-Ingversen, hier geht es um die Diskriminierung eines marxistischen Wissenschaftlers, einer Vorstufe des Berufsverbots.

Nicht nur wegen der von Deppe als marxistischem Wissenschaftler vertretenen Wissenschaftsinhalte erscheint er als suspekt – sondern darüberhinaus wegen der mit diesen Inhalten verknüpften Form der Organisation des gesamten Ausbildungsbereichs – muß ein marxistischer Wissenschaftler in Gegensatz zu denjenigen Kräften geraten, die daran interessiert sind, die Hochschulformierung im Interesse des Monopolkapitals voranzutreiben.

Die von Marxisten geforderte Demokratisierung der Forschung und Lehre leitet sich aus den Wissenschaftsinhalten selbst ab. Permanente Diskussion von Wissenschaftsinhalten und Wissenschaftsergebnissen, ihr In-Beziehung-Setzen zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und Klasseninteressen gehören zum Erkenntnisinteresse marxistischer Wissenschaft selbst, wie es zur „politischen Praxis“ von Marxisten im Wissenschaftsbetrieb gehört, sich für die Ausweitung von Mitbestimmung und Kontrolle in Forschung und Lehre einzusetzen. Diese politische Praxis steht in krassem Gegensatz zu den Bestrebungen des Großkapitals, den Lehr­ und Studienbetrieb auch von der organisatorischen Seite her in den Griff zu bekommen. Die systematische Einbeziehung der Wissenschaft als Produktivkraft in den Reproduktionsprozess im Zuge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts nimmt unter kapitalistischen Verwertungsinteressen Gestalt an in der Formierung des gesamten Wissenschafts- und Ausbildungsbereichs.

Die Hochschulformierung ist zwingende Voraussetzung für die politische und ökonomische Herrschaftssicherung des Monopolkapitals. Mittel dieser Formierung sind HHG und HUG-, HRG und BaföG. Sie bedeuten Reglementierung des Studiums (Kurz-und Langzeitstudium), Unterdrückung des politischen Kampfes der Studenten  für die Durchsetzung ihrer Interessen, bedeuten Abbau der studentischen Einflußmöglichkeiten auf den Lehr-und Forschungsbetrieb.

Hochschulformierung bedeutet aber auch Zentralisierung der Entscheidungskompetenzen in Fragen der Personalstruktur der Universität. Während vor dem HHG II die Einstellung von Assistenten und Dozenten im Entscheidungsbereich der einzelnen Universität lag, ist sie mit der neuen Personalstruktur (HUG) auf Landesebene zentralisiert. Bis auf die wissenschaftlichen Bediensteten bedarf jede Einstellung von Lehrenden der Genehmigung des Kultusministers.

Diese Hochschulformierung wird vorangetrieben von denjenigen gesellschaftlichen Kräften, die die Berufung des Marxisten Deppe zu verhindern suchen. CDU/CSU, Bund „Freiheit“ der Wissenschaft, rechte SPD-Führung übernehmen hier die Rollen der Handlanger des Großkapitals. Die Reaktion weiß, worum es geht, scheinbar unauffällig, mit weniger Lärm als in den Fällen Holzer und Meyer­Ingversen, aber mit einem besonders gefährlichen Effekt soll hier die Diskriminierung eines Marxisten betrieben werden: Gelingt es der Reaktion jetzt, die Berufung von Deppe zu verhindern, dann ist der reaktionären Kampagne „Marx von der Uni“ ein wichtiger Einbruch gelungen.

DAS MÜSSEN WIR JETZT VERHINDERN!!!

EINTRETEN FÜR DIE BERUFUNG EINES MARXISTEN HEISST ZUGLEICH EINZUTRETEN FÜR DIE ERHALTUNG UND AUSWEITUNG STUDENTISCHER MITBESTIMMUNG!

DURCHSETZEN DER BERUFUNG VON FRANK DEPPE BEDEUTET ZUGLEICH: ERKÄMPFUNG EINER MACHTPOSITION IM KAMPF UM DIE ZURÜCKDRÄNGUNG REAKTIONÄRER HOCHSCHULFORMIERUNG !

Dieses Info wir herausgegeben von der Fachschaftsvertretung Gesellschaftswissenschaften. Mitarbeiter dieser Nummer: Georg Dietrich, Wolfgang Hecker, Cornelia Hein, Sybille Hoffmann, Gerhard Heß, Dorothea Knodt, Sybille Krämer, Detlev Pätzold.

Anschrift der Herausgeberin: 355 Marburg, Am Krummbogen 28, Block G, Zimmer 22. Verantwortlich: Gerhard Heß, 55 Marburg, Untergasse 7.

Eigendruck